Das Time-Out-Angebot „Lost and Found“ wird zum vollen Erfolg. Das Projekt von Herrn Fröhlich zeigte schon nach kurzer Zeit Wirkung und brachte einen Jugendlichen auf einen guten Weg.
Im April 2022 suchte das Jugendamt Fulda über den Verteiler „Arbeitsgemeinschaft individualpädagogischer Maßnahmen“ nach einer stationären Unterbringung für den 17-jährigen Kevin. Bei der Anfrage wurde schnell deutlich: Kevin befindet sich in einer perspektivlosen Situation. Diese äußerte sich in einer allgemeinen Antriebslosigkeit. Er war sehr unzufrieden in seiner Wohngruppe und schwänzte die Schule. Auch das Verhältnis zu seiner Mutter wurde zunehmend schwieriger. Gleichzeitig zeigte er keine delinquenten Verhaltensweisen. Er hatte weder Probleme mit Alkohol noch mit anderen Drogen.
Im gleichen Monat wurde das Konzept unseres Mitarbeiters Jan Fröhlich für ein Time-Out-Angebot innerhalb unserer Impuls-Projekte fertig. Die Impuls-Projekte gehören zu unseren stationären Hilfen, für die wir durchgehend Fachkräfte suchen, die Lust haben, mit uns ein Reiseprojekt oder ein stationäres Time-Out-Angebot auf die Beine zu stellen mit dem Ziel einem jungen Menschen in einem gänzlich anderen Umfeld individuelle Impulse für seine Lebensplanung und Entwicklung zu geben.
Jan Fröhlich arbeitet seit Anfang 2019 als Integrationshelfer im Team Sozialraum Köln. Nachdem er von unseren stationären Hilfen erfahren hat, war er direkt Feuer und Flamme. Sein Konzept „Lost and Found“ besteht aus zwei Kernkomponenten, einem aktivierenden Sport- und Trainingsangebot und einem selbst entworfenen täglichen Lern-Angebot, das die Grundbedürfnisse des Menschen reflektiert. Beide Komponenten sind eingebettet in eine feste Tagesstruktur. Hinzu kommen regelmäßigen Mahlzeiten sowie persönliche und gemeinsame Freizeit.
Lebens- und Arbeitsort für dieses Angebot ist das Wohnhaus der Eltern von Herrn Fröhlich. Es handelt sich um den ausgebauten Teil eines großen Vierkant-Bauernhofes, der von Feldern und Natur umgebenen ist, am Rande eines südlichen Vorortes von Aachen. Neben dem Privatbereich gibt es viel Raum für Möglichkeiten. Das Jugendlichen-Zimmer, einen Medienraum, einen Lern-Raum und ein Musikzimmer stehen zur Verfügung. Im großen Garten befindet sich ein überdachter Kraftsport-Raum.
Das Interesse des Jugendamts Fulda an dem Konzept war groß. Es fand ein Online-Kennenlernen statt, das persönliche Kennenlernen zwischen Herrn Fröhlich und Kevin folgte und Ende Juni kam es zur Aufnahme. Kevin wurde am Anreise-Tag von seiner Mutter und Mitarbeitenden des Jugendamts Fulda begleitet. Sofort waren die Gäste vom Platz, den Angeboten und Herrn Fröhlichs offener und professioneller Art begeistert. Vor der Verabschiedung klärte der zuständige Koordinator in einem Aufnahmegespräch letzte Fragen. Danach konnte sich Kevin ungestört an seinem neuen Lebensplatz auf Zeit einzugewöhnen.
In den nächsten Tagen führte Herr Fröhlich Kevin in das Tagesprogramm ein und begann, sich ein genaueres Bild von ihm zu machen. Dazu gehörte auch ein Fitness-Check, um Kevins aktuelle Leistungsfähigkeit und seinen Gesundheitszustand zu ermitteln. Das Sport-Programm konnte so individuell auf den Jugendlichen angepasst werden.
Herr Fröhlich und Kevin wurden alle 14 Tage vom zuständigen Koordinator besucht. Im Gespräch wurden die vergangenen Wochen reflektiert, die Kommenden geplant und offene Fragen geklärt. Danach berichtete der Koordinator dem Jugendamt Fulda und der Mutter von Kevins Fortschritten.
Herr Fröhlich stellte fest, dass Kevin trotz seiner Passivität und Antriebslosigkeit seine Angebote gerne annahm. Von Woche zu Woche taute Kevin mehr auf und vertraute sich seinen Betreuer zunehmend auch mit persönlichen Themen an. Der tägliche Sport wirkte und Kevin fühlte sich fitter und motivierter.
Auch die Lernangebote fanden Anklang bei Kevin. Er gewöhnte sich langsam wieder daran, Themen zu bearbeiten, Texte zu lesen und Aufgabenstellungen auch schriftlich zu beantworten.
Im dritten Monat der Betreuung war Kevin in der Lage, die individuellen Impulse, die Herr Fröhlich für ihn setzte, anzunehmen. Er konnte diese in die Entwicklung eigener Ideen und Pläne umsetzen.
In den regelmäßigen Reflektionsgesprächen mit seinem Betreuer entwickelte Kevin die Idee, seinen Lebensmittelpunkt nach dem Projekt nach Aachen zu verlegen. Dafür kam für ihn eine berufliche Eingliederungsmaßnahme im technischen Bereich infrage. Kevin war davon überzeugt, dass der Abstand von Fulda und seiner dortigen Peer-Group und den zuletzt widrigen Umständen ihm dabei helfen würde, die nächsten konstruktiven Schritte zu gehen. In einem HPG im September, die Maßnahme war bis zum 30.09.22 bewilligt, war das Jugendamt Fulda von diesem Plan überzeugt und verlängerte das Time-Out-Angebot bis Ende Januar 2023. Kevin konnte somit die Schritte zur Umsetzung seines Plans mit der engen Begleitung seines mittlerweile vertrauten Betreuers Herrn Fröhlich angehen.
Es ist eine Freude für alle Beteiligten, dass es Kevin gelungen ist, seine Perspektivlosigkeit abzulegen, seine Selbstwirksamkeit zu erkennen und einen eigenen intrinsisch motivierten Lebensplan zu entwickeln.
Ende November stellten wir dem Jugendamt Fulda mehrere Folgemaßnahmen vor, die Herr Fröhlich mit Kevin durchgesprochen hatte. Die Kollegin aus Fulda stellte für Kevin Aufnahmeanfragen. Herr Fröhlich begleitete ihn zu Kennenlern-Treffen und unterstütze ihn beim Übergang in den nächsten Lebensabschnitt.
Zudem fand Herr Fröhlich für Kevin einen Platz an einem Berufskolleg. An drei Tagen geht Kevin in den Unterricht, an zwei Tagen absolviert er ein Praktikum. Kevin hatte großen Respekt vor dem ersten Schultag. Er vertraute sich Herrn Fröhlich mit gemischten Gefühlen an. Mit der Unterstützung seines Betreuers waren seine Hemmungen und Bedenken aber schnell verschwunden. Auch das Praktikum stellte ihn vor neue Herausforderungen, die er durch den Rückhalt von Herrn Fröhlich meistern konnte. Ab Januar 2023 wird Kevin außerdem seinen Hauptschulabschluss nachholen.
Es ist fantastisch, welche Entwicklungsschritte Kevin durch die intensive, individualpädagogische Begleitung von Herrn Fröhlich in kurzer Zeit gehen konnte. Die Mischung aus Zugewandtheit und täglichem Feedback durch den Betreuer vermittelten ihm Sicherheit, viele neue Erkenntnisse über sich selbst und die notwendigen Impulse für einen neuen Lebensplan. Er entdeckte seine Selbstwirksamkeit, konnte sich aus seiner Lethargie befreien und neue Motivation aufbauen. Es wurde deutlich, dass die dichte 1:1 Betreuung und die starke Strukturierung des Alltags die Basis dafür geschaffen haben, dass Kevin an seiner Entwicklung arbeiten konnte ohne abzudriften oder aufzugeben. In einem größeren Setting wäre ihm dies vermutlich nicht gelungen.
*Der Name des Jugendlichen wurde aus datenschutzrechtlichen Gründen geändert.